Aus einer spontanen Idee entstand vor sieben Jahren eine Institution der „Bürgergesellschaft“: initiiert von einer Familie, finanziert ohne öffentliche Mittel.
Manchmal hat eine spontane Idee große Auswirkungen. So auch der Bürgersalon: Entstanden aus einer nachbarschaftlichen Unterschriftensammlung für den Erhalt der Bäume auf der Wiedner Hauptstrasse hat er sich im Laufe der Jahre zu einer Institution der Wieden entwickelt.
Aber so zufällig die Entstehungsgeschichte des Bürgersalons auch sein mag, nicht zufällig gewählt war zumindest die Namensgebung. Nicht Diskussionsforum. Nicht Austauschplattform. Nicht Informationsabend mit Netzwerkgelegenheit. nein, Bürgersalon. Und damit wurde die Initiative mit etwas definiert, was selber nicht definiert ist. Diese Herausforderung begleitet den Bürgersalon seit inzwischen sieben Jahren und 25 Abenden in unterschiedlicher Intensität und besonders oft in der medialen Berichterstattung, als ob der Aussenstehende nicht wüsste, wer gemeint ist, während wir alle, wie wir hier sind wissen, dass wir gemeint sind. Wir, die Bürger.
Begreifen wir den Bürgersalon also als Treffpunkt der «Bürgergesellschaft», könnte er sich von dem modernen Begriff «Zivilgesellschaft» etwas abheben, zumal dem «BS» bürgerliche Merkmale direkt inhärent sind:
Erstens begann er nicht als Initiative eines Vereins oder einer Bewegung, sondern als Initiative einer Familie. Zweitens finanziert er sich durch private Spenden und nicht durch öffentliche Mittel. Und drittens bietet er persönlichen Wissensgewinn und objektiven Austausch statt belehrender Doktrin.
Dies über den BS festgestellt, bleibt noch die Frage nach diesem ominösen Bürger, der sich hier zu Debatte und einem Glas Wein im Anschluss trifft.
Ein Krawattenträger, meinte Thomas Chorherr in seinem Buch, er stimmte ein «Requiem für die Krawatte» an und das zu einer Zeit, als krawattenlose Kragen in den Regierungsräumen etabliert wurden. Also kein betonter Egalitarismus im Bürgersalon, wohl kein amikales gegenseitiges Schulter klopfen als «Wir Bürgerliche», eventuell sogar gar kein «Wir» sondern nur individuelle, informationsinteressierter Wähler. Und: informationsinteressierte Wählerin, denn der Frauenanteil im Publikum ist angenehm hoch und Frauen ebenso engagierte wie kundige Diskussionsteilnehmerinnen. Auch wenn daher nicht vom BürgerInnensalon gesprochen wird, ist das Publikum des BS schon längst in der Gleichberechtigung angekommen und wir haben die Hoffnung, dass sich dies auch auf den künftigen Podien widerspiegeln wird.
Mit Bestimmtheit kann gesagt werden, dass der Bürger-liche kein Radikaler ist, eventuell in seiner Breite sogar der Gegenpol zu Radikalen aller Richtungen. Echokammern, Informationsblasen und Fake News hier, konsensuale Informations- und Wissensbasis da.
Mit dem Vorwurf von Passivität konfrontierte den Bürger der Gründer des Bürgersalons, er sprach von der bürgerlichen Zuschau-Gesellschaft, die im BS «politisiert werden sollte».
Diese «Zuschau-Gesellschaft» entpuppte sich in den Diskussionen jedoch als äusserst aktiv bis hitzig, bei manchen Themen, etwas dem Islam, als nahezu unbändigbar für den Moderator. Und diese «Zuschau-Gesellschaft» fand über sieben Jahre hinweg konsequentes Interesse am politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Geschehen.
Man könnte sagen: was Österreich beschäftigt, beschäftigt auch den Bürgersalon. Von den 25 Diskussionsveranstaltungen drehte sich die Mehrheit um Wahlen und Wahlkämpfe, von der Nationalratswahl 2013 bis zur EU-Wahl 2019. Besonders prominent war die Diskussion der Spitzenkandidaten für die Bundespräsidentenwahl, als sich vor dem Eingang zur Akademie eine Traube von Menschen bildete, die auch unbedingt noch eingelassen werden wollte. Neben diesen parteipolitisch dominierten Abenden standen drei weitere im Zeichen der allgemeinen Reflexion: die Zukunft der Europäischen Union, Staatsreform und die öfter geforderte als verstandene Direkte Demokratie. Bei letzter stand, besonders pikant, im Zentrum der Debatte, inwiefern der Wähler komplexe Zusammenhänge der Politik wirklich verstehen kann. Nun, im Bürgersalon macht er die Probe aufs Exempel.
Insgesamt sieben Abende beschäftigen sich mit tagesaktuellen Themen, von der Flüchtlings- und Migrationskrise Anfang 2016 über den Klimawandel bis hin zur Rolle der Frau.
Zwei Diskussionsrunden waren Jubiläen gewidmet, 100 Jahre Europa und 100 Jahre Republik, zwei Mal diskutierten wir wirtschaftspolitische Themen, den Standort Wien und, besonders kontrovers, die Sozialpartnerschaft.
Ähnlich emotional verliefen die beiden Debatten zum Thema Religion, einmal mit Fokus auf den Islam, einmal das Verhältnis von Religion und Staat.
Schliessen wir von diesem Themensetting auf den Bürger, so ist dieser offensichtlich an der guten Vorbereitung auf Wahlen ebenso interessiert wie am tagespolitischen Geschehen, lebt Geschichtsbewusstsein, beschäftigt sich mit Religion und mit Wirtschaft.
Damit können wir, entgegen einer herbeigefürchteten Radikalisierung der Gesellschaft auf Kosten der bürgerlichen Mitte postulieren: im Bürgersalon trifft Information auf Interessierte, Fragen auf Politiker, Meinungen aufeinander. Hier findet die Basis der Demokratie statt.
Es ist der Bürgergesellschaft also zu wünschen, dass der Bürgersalon Schule macht, noch bekannter wird und künftig auch jene vermehrt anspricht, die sich auf den ersten Blick nicht als «Bürgerliche» einstufen lassen würden, aber interessierte Demokraten sind.
Herzlichen Glückwunsch zu dieser Institution.
Foto: Ursula Prager-Ramsa