Meine Antwort auf den inhaltlich völlig falschen Beitrag „Mit Muslimen leben“ im Standard. Kurz: Über Verhaltensweisen im öffentlichen Raum darf und muss sehr wohl die gesamte Gesellschaft diskutieren.

Meine ungekürzte Antwort:

Der Beitrag «Mit Muslimen leben» weist gravierende inhaltliche Fehlinterpretationen auf, die einer sachlichen Diskussion abträglich sind. Die Unkenntnis der Materie ist erstaunlich für einen publizierten Artikel, die Praxis, sich an Katholiken abzuarbeiten, nur mehr ermüdend.

Wobei handelt es sich also beim «Politischen Islam»? Zunächst ist die Religion «Islam» von der Ideologie des «politischen Islam», also gesellschaftspolitischen Zielsetzungen, die eine Umgestaltung der westlichen Gesellschaft nach islamischem Vorbild zum Ziel haben, zu unterscheiden. Die durch Frau Coudenhove-Kalergi getätigte Bezeichnung «ultrakonservative Ideologie» für den politischen Islam ist daher schlichtweg falsch, da es sich nicht um eine Glaubensauslegung, sondern um ein politisches Programm handelt. Die Einführung des Begriffs «Politischer Islam» macht diese gefährliche Strömung für die Politik greifbar, erfassbar und ermöglicht den rechtsstaatlichen Umgang damit. Eine wissenschaftlich-kritische Auseinandersetzung mit der Religion Islam wird dadurch nicht obsolet, soll jedoch nicht auf dem Parkett der Politik geführt werden. Der Kritik der noch nicht allgemein anerkannten Definition von «politischem Islam» ist insofern zu begegnen, als dass unsere Gesellschaft erst langsam beginnt, sich mit dieser gefährlichen Strömung zu beschäftigen.

Entsprechend gehören Analyse und Grundlagenforschung über politischen Islam zu den Aufgaben der Dokumentationsstelle Politischer Islam. Definitiv keine Zielsetzung der Dokustelle ist die Beurteilung, ob «der Glaube» von Muslimen nach Österreich gehört, wie dies Frau Coudenhove-Kalergi fälschlich darstellt. Die Dokumentationsstelle richtet sich gegen Netzwerke, Ideologien und ausländische Einflüsse, die oft unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit die gelungene Integrationsarbeit gefährden. Ob die Beobachtungsstelle für Frau Coudenhove-Kalergi nach «Polizei» klingt, obliegt ihrer subjektiven Einstellung, tatsächlich ist die Dokumentationsstelle ein unabhängiger, weisungsfreier Fonds der Republik, hat also nichts mit Polizei zu tun.

Fast schon patschert wirkt das Postulat, das Muslime «unsere Leute» seien. Auch hier fehlt, angesichts türkisch-nationalistischer Demonstranten und salafistischer Kindergärten, eine notwendige Differenzierung. Ganz vehement ist zurückzuweisen, dass die Diskussion, wie Muslime in Österreich leben, von der Islamischen Glaubensgemeinschaft geführt werden soll. Erstens, weil die Glaubensgemeinschaft nicht repräsentativ für alle in Österreich lebenden Muslime ist. Zweitens, weil über Verhaltensweisen im öffentlichen Raum sehr wohl die gesamte Gesellschaft diskutieren darf und muss.

Zum Schluss sei gesagt: die Zeiten von Thron und Altar sind vorbei. Wir sind heute nicht mit «radikalen» Katholiken konfrontiert, sondern mit dem politischen und dem radikalen Islam. Die Beweggründe, aus denen süffisant in die ohnehin bereits tiefe Kerbe der Kirchenkritik geschlagen wird, während bei offensichtlichen, radikalen Tendenzen im Islam nicht nur die Augen verschlossen, sondern diese offensiv in Abrede gestellt werden, sind entweder gefährlich naiv oder gefährliches Kalkül

Was in der Politik laufend verhandelt wird ist nicht mehr und nicht weniger als die Frage: wie gehen wir miteinander um? Welche bzw. wessen Regeln zählen?  In einer westlich-liberalen Gesellschaft sind das immer die Regeln des Rechtsstaates und die Werte, die aus der Verfassung und kulturellen Tradition abgeleitet sind.“

Meine redaktionell gekürzte Antwort im Standard vom 20. August 2020:
Bild: Standard.at