Grau ist alle Theorie. Nicht jedoch der Vortrag von Dr. Alexander Grau über sein Buch „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“.

Was ist Moral, was ist Ethik, was sind Moralismus und Hypermoral? Letzter Begriff wurde in der „Presse“ als „neuer politischer Kampfbegriff“ klassifiziert (Artikel vom 04.04.2019). Zu Recht?

Alexander Grau erklärte in seinem Vortrag am 7. Mai Herkunft und Unterschiede und die problematische Entkoppelung von Moral und Religion. Grau zeichnete die Entwicklung unserer westlichen Moralvorstellungen nach und argumentierte, dass diese ohne dem Hintergrund des Christentums in dieser Form nicht entstehen hätten können. Standen im Anfang des Christentums noch Gott (Vater) und Spiritualität im Zentrum (auch bildlicher Darstellungen), verschob sich dieser Fokus später auf Christus, Christi Leiden, und immer mehr Christi Mensch-Sein. Die zunehmende „Vermenschlichung“ Christi war Teil des Bedeutungsgewinns des „Individuums“. Heute ist das Individuum als Träger von Rechten im Mittelpunkt – das Individuum an sich, nicht die Person als Ebenbild Gottes.

Interessant auch das Verhältnis von Rechten und Pflichten: Grau konstatierte die Tendenz, Rechte auf individueller Ebene anzunehmen, Pflichten jedoch auf gesellschaftliche Ebene zu transferieren. Eine „moralische“ Lebensführung ist für den Einzelnen unangenehmer als die Formulierung moralischer Ansprüche an die Gesellschaft.

Ein fesselnder Vortrag mit kontroverser Diskussion im Anschluss.

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