Die Ortskerne sterben. Was die Politik abstrakt debattiert, ist das erodierende Lebensumfeld von Menschen

Haben Sie das alte Amtshaus von Aspern schon einmal von innen gesehen? Es ist verfallen, es ist alt und traurig. Und es ist voller Leben. Nicht nur der Kindergruppe, nicht nur der Bibliotheksbesucher. Voller Leben einer einstens intakten Nachbarschaft. Eines Treffpunkts, an dem gelacht, gefeiert, getrunken und geplaudert wurde. An dem Miteinander stattfand.

Als Außenstehende habe ich diese Erinnerungen gespürt. In dem verfallenen Theatersaal, der sich so gut für so viele Veranstaltungen eignen würde. Wie oft suchen wir einen Ort für Vorträge oder Diskussionen? Wie oft hören wir die Klage, dass es keine Treffpunkte, weder kommerziell, noch nicht kommerziell, im Bezirk gibt. Aber da gibt es doch einen – oder gab es, denn er wurde dem Verfall freigegeben. Warum eigentlich?

Dann ist da die Bibliothek, die mit Liebe geführt wird. Die gerne besucht wird. Deren Leiterin sich von keinem ihrer Bücher trennen möchte, eine Sentimentalität, die ich zutiefst nachvollziehen kann. „Aussortieren“, heißt es, aber wer kann schon guten Gewissens einen Nietzsche aussortieren, sei er auch etwas zerlesen?

Und dann ist da die Kindergruppe. Als wir zu Besuch waren, war gerade großer Aufbruch: in den Hof, raus ins Freie. Es sind schöne, helle Räume. Es sind Kinder, die einen glücklichen Eindruck machen.

Währenddessen wird im Rathaus die Planung der Seestadt debattiert und die Stadtautobahn und das Budget dafür. Und die SPÖ bekannte sich zum Erhalt der Ortskerne, sobald sie Stadtstraße steht. Währenddessen soll die Bibliothek in die Seestadt übersiedeln. Das ehemalige Amtshaus soll abgerissen und verkauft werden, man munkelt von Wohnungen. Weil die neuen Bewohner sicher keine Bibliothek, Kindergruppe oder Treffpunkt haben möchte. Weil Menschen, die neu nach Aspern ziehen dort bestimmt nur schlafen und sicher nicht leben möchten. Oder? Ist hier vielleicht ein Denkfehler?

Die Seestadt ist das Prestigeprojekt der Wiener Stadtplanung. Was währenddessen mit dem alten Ortskern Aspern passiert, scheint zweitrangig. Dass Menschen auch leben und nicht nur steril wohnen möchten, scheint nicht mal zweitrangig – sondern einfach außerhalb der Vorstellungskraft der Wiener Stadtplanung. Wer auch immer mit einem möglichen Abriss und Wohnungsbau viel Geld verdienen würde: er würde es auf Kosten eines wirklich schönen, lebendigen Ortes tun. Wir denken, dass dieses alte Amtshaus erhalten und restauriert gehört. Wir denken, dass dies gut investiertes Steuergeld wäre.

Wir unterstützen die Anliegen der Bürgerinitiative. Nicht nur, weil das Sterben der Ortskerne die ganze Donaustadt betrifft. Sondern weil wir wollen, dass die Bewohner Asperns wieder dort leben können, wo sie einst hingezogen sind: in eine dörfliche Umgebung. Wir sind der Meinung, dass sich die Stadtpolitik genau darauf konzentrieren sollte: den dörflichen Charakter zu erhalten. Die Lebensqualität zu erhalten.

Foto: Kronen Zeitung